Anaboles Protein-Fenster: Wahrheit und Pflicht

Anaboles Protein-Fenster: Wahrheit und Pflicht

Ich packe in meine Fitnesstasche: Turnschuhe, Handtuch, Deo, und nicht zu vergessen meinen heißgeliebten proteinreichen Post-Workout-Shake. Denn was bringt schon ein Bodystyling ohne den Protein-Shake danach?

Rein gar nix! Denn nur direkt nach dem Training ist doch das „anabole Fenster“ offen und die Effekte um so größer?! Und nur dann schreien die strapazierten Muskeln nach neuen Baustoffen (Aminosäuren) und legen darum eine besonders hohe Aufnahmefähigkeit an den Tag. An dieser Stelle werden Kritiker laut und stöhnen, dass das anabole Fenster für Proteine reiner Irrglaube sei oder gar eine Verkaufsstrategie der Nahrungsmittelindustrie sein könnte. Hm, was ist denn nun wirklich dran am allseits bekannten „Anabolic Window of Opportunity“ für Proteine? Schoenfeld et al. (2013) haben – mit einer Metaanalyse – endlich mehr Licht ins Dunkel gebracht.

Anaboles Protein Fenster

Längere Öffnungszeiten beim anabolen Fenster?

Das Ergebnis der umfangreichen Untersuchung, welche 20 Studien mit Post-Workout-Shakes aufweist, brachte jedoch eine schlagartige Ernüchterung: „Die Analyse […] zeigt kleine bis moderate Effekte auf die Muskelhypertrophie und keine Effekte auf die Muskelkraft.“ (Schoenfeld, Aragon & Krieger, 2013).

Doch dem nicht genug: Die positiven Effekte auf das Muskelwachstum, welche in vielen Studien belegt werden, könnten auch an der insgesamt höheren Proteinzufuhr der Studienteilnehmer gelegen haben. An dieser Stelle scheint es so, als wäre das Timing gar nicht so relevant oder anders gefragt: Spielt das Timing der Proteinaufnahme überhaupt eine tragende Rolle?

Die Antwort ist ein deutliches – JA. Denn Aragon & Schoenfeld (2013) kommen auf der Basis aller vorliegenden Fakten zu folgendem Ergebnis. Das anabole Zeitfenster existiert! Beschränkt sich jedoch nicht auf die ersten 60 Minuten nach dem Workout. Laut Recherche ist es viel wichtiger, innerhalb von 2-3 Stunden nach einer effektiven Workout-Session der gefolterten Muskulatur genügend Eiweiß zur Verfügung zu stellen.

Ist der Post-Workout-Shake unmittelbar nach dem Workout also plötzlich ein Tipp von anno dazumal?

Die Forscher geben hierzu folgende Ratschläge

1.

Vor und nach dem Workout sollten die Mahlzeiten lediglich 4-6 Stunden auseinander liegen. Konsumiert man vor dem Training schon eine proteinreiche Mahlzeit, ist die Proteinverfügbarkeit auch während und nach dem Training erhöht. Somit ist der Post-Workout-Shake dann nicht mehr zwingend erforderlich.

2.

Wenn man vor dem Workout Eiweiß konsumiert wirkt sich dies positiv auf die Proteinnutzung aus: zum Beispiel erhöhen 20g Whey-Protein kurz vor dem Workout die muskuläre Proteinzufuhr während des Fitnesstrainings um das 4,4-fache. Außerdem ist die Menge an Aminosäuren im Blut noch bis zu 3 Stunden nach dem Workout wesentlich erhöht (Tipton et al., 2004).

Heißt es ab heute Pre statt Post?

Geht der Trend vom Post-Workout- zum Pre-Workout-Shake? Spielt jetzt auf einmal die Proteinzufuhr vor dem Workout die entscheidende Rolle? So genau lässt sich das leider nicht beantworten. Denn die Forschungsergebnisse sind kritikwürdig und das hat mehrere Gründe:

Die Studien der Metaanalyse erforschten fast nur gesunde, untrainierte Testpersonen. Wie die Wissenschaftler selbst betonen, könnte dies der ausschlaggebende Faktor für diese signifikanten Endergebnisse sein. Denn Trainingsanfänger sprechen generell intensiver auf ein Krafttraining in Kombination mit einer erhöhten Eiweißzufuhr an, als austrainierte Athleten. Dass bei Fitnessanfängern der Zeitpunkt einer Proteinzufuhr demnach nicht wirklich ausschlaggebend ist, würde somit auf der Hand liegen!

Wie war das Fazit bei trainierten Sportlern? Die Metaanalyse belegt, dass bei gedrillten Sportlern kleine bis moderate Anpassungseffekte festzustellen waren. Gerade bei erfahrenen Athleten zeigen sich nach und nach nur noch geringe Anpassungseffekte. Deshalb können hier schon die kleinsten Erfolge durchaus entscheidend sein!

Laut den Forschern beruht das „anabole Fenster“ auf Ergebnissen unter nüchternen Bedingungen. Wird das Workout z.B. morgens ohne Frühstück oder nach längerer Nahrungskarenz durchgeführt, ist der Körper nach dem Bodystyling in einer geringeren Aminosäurenbilanz, dies jedoch bei einer höheren Muskelproteinsynthese (Kumar et al., 2009). Sprich: Der Muskel hat einen Mangel an frei verfügbaren Aminosäuren. An dieser Stelle macht ein Eiweißshake nach dem Training auch weiterhin Sinn!

Nüchtern ran an die Mukis

Viele Neuigkeiten! Jedoch lässt sich leider nur wenig schwarz auf weiß belegen. Zwei Gesichtspunkte sind jedoch Fakt. Erstens: wenn es um reines Muskelwachstum geht, dann ist eine erhöhte Proteinzufuhr das grundlegende Erfolgsgeheimnis. Und zweitens spielt der richtige Zeitpunkt der Proteinzufuhr in nüchternem Zustand auch weiterhin eine tragende Rolle.

Denn wer vor seinem Fitnesstraining Aminosäuren zu sich nimmt, erweitert das anabole Fenster auf bis zu 3 Stunden. Das anabole Fenster hängt somit ganz klar von der Eiweißzufuhr vor Belastungsbeginn ab. In einer gegenwärtigen Studie kommen Schoenfeld et al. (2017) sogar zum Schluss, dass eine Eiweißsupplementierung vor dem Training genauso wirksam ist, wie nach dem Training.

Fazit: Auf der Basis der jetzigen Studienlage ist der Post-Workout-Shake also nur für die Fitnesssportler und Athleten ausschlaggeben, welche sich mit nüchternem Magen stählen und quälen!

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