Cystein: Von Entgiftung, straffer Haut und schlaffer Leistung

Cystein: Von Entgiftung, straffer Haut und schlaffer Leistung

Eigentlich sollte man sich doch ein wenig wundern. Während wir so gut wie jeden Tag reichlich Eiweiß in Supermärkten kaufen können, werden spezifische Aminosäuren gerne mal gesondert als Supplement verwendet. Cystein zählt dabei zu einem recht bekannten Baustoff, den wir uns vor allem dann zuführen, wenn wir die Nase voll haben.

NAC (N-Acetyl-Cystein) ist schließlich ein bekannter Schleimlöser und seine Wirkung erzielt es durch die zum Teil Struktur auflösenden Eigenschaften von Cystein. Das ist aber eigentlich recht seltsam, wenn man genauer darüber nachdenkt. Während Cystein bekannt ist für seine festigende Wirkung auf Haare, Nägel, Knorpel, Haut und Knochen, scheint es auf der anderen Seite Dinge aufzulösen. Wie kann das aber sein und was hat Cystein alles mit Schwefel, Schwermetallen und Schilddrüsenunterfunktion zu tun?

Aminosäure Cystein für Haut, Nägel und Zähne

Cystein: Von kräftigen Haaren, Nägeln und aufgelösten Strukturen

Enzyme, Zellen, Bindegewebe, Organe und alles andere, was sich in uns regt und lebt haben etwas gemeinsam. Sie haben eine Struktur. Ein Mediziner würde sich doch sehr wundern, wenn er ein Herz vorfinden würde, das aussieht wie ein Seestern. Damit aber solche Gebilde aus Aminosäuren ihre charakteristische Struktur bekommen, brauchen sie einen Bau- bzw. Klebestoff. Gesunde Haare, Nägel, Knorpel, Knochen, aber vor allem auch unsere Haut sind weltweit anerkannte Zeichen für inneres Wohlergehen.

Wenn man also weiß, dass Cystein einer der zentraleren Baustoffe für so etwas ist,

würde man doch glatt gerne im nächsten Onlineshop des Vertrauens eine Vorratspackung dieser Aminosäure für die nächste öffentliche Veranstaltung bunkern. Doch so funktioniert das ganze leider nicht. Die Struktur von Gewebe spielt stets eine Rolle bei seiner Funktion. Würde man bei einem Computer auch nur ein Kabel wo anders einstecken, bekäme das gesamte Gerät einen Kurzschluss. So in etwa kann man sich das auch in unseren Zellen des Körpers vorstellen.

Di-sulfid-Brückenbindung

Verändern wir ein Enzym auch nur ein kleines bisschen, ist es nicht mehr aktiv und kann seine Funktion gar nicht, oder nur noch eingeschränkt leisten. Im Körper binden sich zwei Cystein-Bausteine einer Amino-Kette durch ihre Schwefelatome zusammen und geben damit dem Gebilde seine wichtige Struktur. Ein solches Gebilde nennt sich Di-sulfid-Brückenbindung – also anders gesagt eine zwei-Schwefel-Brücke.

Der Clou ist jedoch, dass diese strukturierende Eigenschaft von Cystein abhängig von der Konzentration von Cystein in der Umgebung ist. Fluten wir den Körper – und damit unsere Zellen – mit Cystein, wirkt es auf sich selber auflösend (reduzierend) und bricht damit diese Brücken auseinander! Die Struktur verschwindet, die Funktion der Aminosäuren-Kette ebenso. Damit wird sehr schnell klar, dass Cystein in normalen Mengen dem Körper durchaus helfen, jedoch in großen Mengen – also wie bei NAC – auch den Schleim aus der Nase lösen kann. Schließlich sind das alles mehr oder weniger feste Gebilde aus Aminosäuren. Wirkt aber Cystein nur lokal?

Cystein Proteinstruktur
Aminosäure Cystein

Cystein: Von Immunschwäche und Entgiftung

Es gibt noch weitere Gründe, warum die Aminosäure Cystein als Supplement empfohlen wird. Cystein ist keine essentielle Aminosäure und kann aus diesem Grund bei Bedarf vom Körper selber produziert werden. Dabei werden aus ihr weitere Aminosäuren wie Taurin, aber auch bekannte Antioxidantien wie Glutathion gebildet. Unter anderem wird sie aus diesem Grund auch gerne bei Immunschwäche empfohlen, um den Körper bei entzündlichen Belastungen zu unterstützen.

Auch ist bekannt, dass schwefelhaltige Strukturen wie Cystein die Fähigkeit besitzen, nicht nur Aminosäuren zu binden, sondern auch Schwermetalle. Dadurch steht Cystein unter dem sonnigen Licht, in einer modernen Welt aus Blei, Quecksilber, Arsen und Co. ein wenig uns unter die Arme greifen zu können. Problematisch ist jedoch, wie bereits beschrieben, die Fähigkeit von größeren Mengen an Cystein Strukturen zu reduzieren und damit aufzulösen. Denn Enzyme haben wir viele im Körper und alle haben sie wichtige Aufgaben. Wäre es vielleicht denkbar, dass Cystein hier wie ein Flächenbrand ein wenig Unordnung in den Körper bringen könnte?

Cystein: Effekte auf das Nervensystem, Herzfunktion und die Schilddrüse

Vor allem bei heranwachsenden Tieren wurde festgestellt, dass höhere Dosierungen – etwa 300mg/kg Körpergewicht – an Cystein nicht nur ungut, sondern toxisch wirken konnten. Während Tiere, aber auch wir in unseren jungen Jahren heranwachsen, sind viele Bestandteile des ausgewachsenen Körpers noch nicht fertig ausgebaut. Ein Teil wäre dabei die Blut-Hirn-Schranke, die unser Gehirn vor möglichen schlechten Stoffen aus dem Blut schützen soll. Schnell sollte klar werden, dass man dem Nervensystem kein auflösendes Mittel zuschieben möchte.

Das gleiche gilt aber auch für andere Organe. Sowohl das Herz, die Leber, als auch die Schilddrüse können unter hohen Dosierungen von Cystein leiden. In der heutigen Zeit sind Erkrankungen in diesen Gebieten des Körpers weit verbreitet. Niemand möchte wohl durch die exzessive und chronische Verwendung von Cystein oder cysteinhaltigen Stoffen einen Leberschaden, eine Schilddrüsenunterfunktion und einen damit verbundenen reduzierten Stoffwechsel, eine Schwächung des Immunsystems oder Herzprobleme weiter provozieren.

Cystein in Lebensmitteln und Bedarf

Cystein bleibt wichtig! Es hat sprichwörtlich eine tragende Aufgabe für den Körper, bildet Struktur, bindet Schwermetalle und befestigt Knochen, Haut und Haare. Da sie jedoch nicht essentiell ist, kann sie der Körper durchaus selber aus Serin und Methionin herstellen. Man möchte sie auf jeden Fall nicht überdosieren und unser Bedarf ist nicht sonderlich hoch. Akute Verwendung von NAC als Schleimlöser sind sicherlich vom Körper verkraftbar, während von einer chronischen Verwendung als Inhaltsstoff in Supplementen bis dato abgeraten werden sollte.

Täglich kommen wir bereits mit weniger als einem Gramm Cystein aus. Versuche wurden an unterschiedlichen Altersgruppen mit einer Gesamtversorgung von 30-50mg/kg Körpergewicht durchgeführt und zeigten keinen Nachteil in jeglicher Form. Allen voran Soja (etwa 600 mg/100g) aber auch rotes Fleisch, Hafer, Geflügel und Nüsse (400-450mg/g) enthalten ausreichend Cystein, um unseren täglichen Bedarf gut decken zu können. Für eine volle Nase und andere verschleimte Areale kann Cystein sicherlich von Hilfe sein, doch eine besondere Stellung als wertvolles Supplement bekommt Cystein wohl eher nicht. Vielleicht greift man doch lieber häufiger bei Atemwegsbeschwerden zur Infrarot-Lampe, Sauna oder inhaliert Kamille? Oma wäre sicher stolz auf uns!

Aminosäure Cystein in Sojaprodukten

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